Aus­ga­be 5/6 • 2008

Erbengemeinschaft

Editorial

Weltweite Finanzkrise infolge einer Wertekrise
Pleite. Die Banken des Planeten sind blank. Sie haben sich verhoben, verturnt, verzockt. Und das Ganze mit Ansagen, mit System. Wie die Lemminge und wie die Wale, die im Trupp auf dem Strand verenden. Wer Geysire mag, kann Island kaufen. Morgen vielleicht Malta und sogar die Schweiz? Zum Schnäppchenpreis, gemessen an den Staatsgarantien, mit denen die Schatzminister auf Kosten unserer Zukunft in blanker Notwehr um sich werfen. Ja, wie dämlich darf man denn sein? Dabei gibt es seit Erfindung von Geld eine eherne Regel. Etwas ist nur etwas wert, wenn es einem wirklichen Wert entspricht. Und der Bezug ist ständig kritisch zu prüfen. Daher war ja auch ein Lira-Millionär kein D-Mark-Millionär. Daher ist Monopoly nicht mit der Immobilienwirtschaft zu verwechseln. Daher sind Kredite ohne Sicherheiten, die sinnfrei auf stetig steigende Preise hoch beliehener Güter setzen, ein Killefitz. Und außerdem: Geld hat keinen Anstand und keine Moral. Beides müssen seine hochmögenden Herren in den Beletagen der Bankhäuser haben, sonst wird es zappenduster wie just. Wer aber munter mit Milliarden spielt, ohne sein Spiel zu verstehen und ohne seine Spielschuld begleichen zu können, ist ein gemeingefährlicher Geck. Und Risiko, das hier nur nebenbei, ist nicht der Milchbruder der Chance, wie auch manche Entrepreneure mitunter meinen, sondern ihr Feind. Solide Geschäfte halten beide Parameter nicht bloß in der Waage, sondern sie verlangen geradezu danach, dass die Gewinnperspektive nahezu sicher ist. Zumindest sollte die Wahrscheinlichkeit, seinen Einsatz zu verlieren, dauerhaft denkbar unwahrscheinlich sein. Wer sich insofern vernünftig verhält, ist ein sympathischer Kapitalist mit kerngesunder Erlösorientierung, von dem zu hoffen bleibt, dass er willens ist, seine so erzielten Vorteile nicht nur selbst zu verzehren, sondern als Steuerzahler mit Vater Staat im Sinne weniger talentierter Menschen zu teilen. Gier ist übrigens genauso wenig hipp wie Geiz. Beide Triebe fressen das Glück der Gestaltung.

Wohlverstandenes Unternehmertum fußt seit jeher auf Erfindergeist, Fleiß, Klugheit, Wagemut, Weitsicht und Maß, was sich alles redlich lohnt, aber eben ganz anderes als die blinde Maximierung von Mammon, Eitelkeit und Eigennutz meint. Von diesem Ansatz, der die westliche Welt im Zeichen sozialer Verantwortungsethik global weit nach vorn gebracht hat, abzusetzen ist der faule Budenzauber, den die internationale Dollarindustrie nach der unlängst zerknallten Internetblase in rauschhaften Exzessen neu aufgezogen hat. Gemeinsamer Nenner der abstrusen Aktivitäten war, dass nur große Räder, die man immer schneller dreht, immer schneller große Profits abwerfen werden. Am schnellsten aber laufen Räder im Leerlauf heiß, ganz ohne Reibungsverlust mit Mutter Erde, soll heißen, ohne Bodenhaftung. Wozu also an der Börse auf reale Ereignisse wetten, wenn man auf Wetten wetten kann. Reine Entropie, wärmste Luft. Fiktives Wachstum à la carte. Schöne Grüße aus Wolkenkuckucksheim.

Davor schon das spektakuläre Investmentgewese: Megadeals der Sorte DaimlerChrysler, die kaum aus strategischem Shareholder-Value-Kalkül, sondern aus Größenwahn geboren waren, bis die Aktionäre die Zeche zahlen, während sich meist teuerst abgehalfterte Top-Manager, so ungerecht bereichert wie nie, verpfeifen. Dann die Hedgefonds, die mit Irrsinnssummen institutioneller und privater Hasardeure, aufgepumpt mit frechem Fremdkapital, auf fallende Notierungen setzen, um abstruse Renditen zum Nachteil der Nationen einzusacken. Des Weiteren die monströse Schieberei rund um die blaue Kugel, zwecks Preistreiberei von Währungen, Ressourcen und Nahrungsmitteln, die keinen volkswirtschaftlichen Nutzen will. Alles obszön und ärgerlich und alles so entbehrlich wie nur was. Mehr Regeln und mehr Kontrolle wären nett. Nachhaltiger aber wäre wohl eine Nacherziehung mit Kopfnüssen für die Bankrotteure.

Beste Grüße aus Bonn, Ihr Reinhard Nenzel, Chefredakteur

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