Aus­ga­be 1/2 • 2022

Stärkster Mann Deutschlands

Editorial

Wirtschaft und Politik in
Zeiten von Krieg und Krisen

Die Welt ist aus den Fugen und zwar in rabiater Weise. Wir lernen, dass nichts ist, wie es scheint. Putin lehrt uns Lügen und wir erkennen, dass wir wehrlos gegen die Vernichtung der Wahrheit sind. Das darf nicht sein. Letztere mag aus vielen Facetten bestehen und dialektisch sein, was Ungeübte oft überfordert, da sie immer das Eindeutige suchen, statt Argumente und Aspekte zu priorisieren, doch Konsensfähigkeit ist eine elementare Voraussetzung von Verständigung. Deeskalation ist ohne geteilte Wahrnehmungen und Wertungen unmöglich. Das gilt für Aggressoren, die Länder überfallen, für Alu-Hüte und all jene, die ihren persönlichen Knall verabsolutieren, da Ihnen gleich Gesinnte ihren Wahn bestätigen. Macht aber ist kein Instrument der Erkenntnistheorie, auch wenn wir uns ihr mitunter opportunistisch, engagiert oder widerständig unterwerfen. Das fängt in der Regel im Elternhaus an.
Der Charakter zeigt sich an den Grenzen der Toleranz, die jeder für sich festzulegen hat. Wann mache ich noch mit, wann dulde ich Positionen noch, wann lehne ich sie ab, wann fange ich an, jemanden umzustimmen, wann verlange ich es, notfalls ultimativ, und wann kämpfe ich für das Gute, also gegen jede Form von Gewalt und gewalttätige Phantasien? Wann setze ich meinen Seelenfrieden, meine Ressourcen und meinen Eigennutz aufs Spiel, um jemandem, der bedroht und bedrängt wird, beizustehen, erst recht, wenn es unverschuldet um Leben und Tod dabei geht? Bin ich anständig genug, um Nachteile hinzunehmen, um Opfer zu bringen, gegebenenfalls auch große, damit ein Grauen, von dem ich weiß, aufhört zu bestehen? Lasse ich mich berühren von Leid und will ich es wirksam vermindern?
In diesem Sinne gibt es keine Gründe, sich zurückzuhalten. Das gilt auch für Regierungen, wobei der Überfall auf die Ukraine eine neue Form der Solidarität vernünftiger Nationen hervorgebracht hat, zumindest möchte man es sich wünschen, dass die getroffenen Maßnahmen mehrheitlich von diesem Motiv getrieben sind.
Nachdem nun die Pandemie schwere Verwerfungen in Branchen, auf Märkten und in den globalen Lieferketten verursacht hat, von denen zwar nicht alle Unternehmen gleich betroffen sind, manche jedoch nachhaltig, überlagern die furchtbaren Ereignisse in Osteuropa das ökomische Handeln. Bei alledem tritt Gewöhnung an das Ungeheuerliche ein und in ihrem Gefolge ein problematischer Pragmatismus, der dazu führt, trotz der Verletzung vieler roter Linien so zu tun, als könne es mit den Verursachern brutalstmöglicher Zerstörung, des täglichen Tötens, des Mordens und des Marodierens jemals diplomatische Verhandlungen über eine Nachkriegsordnung geben. Das ist genauso altes Denken wie das Paradigma, heute noch mit Waffen und Gewissenlosigkeit Tatsachen gegen Menschenrechte schaffen zu wollen. Warum teilt man den Herren in Moskau nicht mit, dass sie jede Satisfaktionsfähigkeit verloren haben? Russland muss sich eine neue Regierung erkämpfen. Der Regimewechsel ist unabdingbar und alternativlos und zwar seit dem 24. Februar.
Ein Blick auf die Ampel-Koalition bestätigt, was man in Familienunternehmen immer schon weiß. Im Zeichen großer Herausforderungen performen bisweilen die, denen man es nicht zugetraut hat. Respekt für Frau Baerbock und Herrn Habeck.

 

Beste Grüße aus Bonn, Ihr Reinhard Nenzel, Chefredakteur

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